Sie sehen Kartonschachteln. Das ist unüblich für meine Arbeit, meistens male ich auf Sperrholz. Selten auf Leinwand.
Ich fing spät an zu malen, als Erwachsener mit Hintergrund, sozusagen. Oder Untergrund: In den 1980er und -90er Jahren betrieb ich während rund zehn Jahren mit Freunden das «Kunsthaus Oerlikon» – einige von Ihnen erinnern sich vielleicht noch an diesen nomadischen, aber Raum, Zeit und Tiefe bietenden Unort. Dann wurde ich vom Kurator zum Künstler; es fing mit leeren Kartonschachteln an, die ich bei einem Discounter entdeckte und nach Hause trug. Sie zu bemalen (und nicht eine Leinwand), hatte etwas Befreiendes. Karton ist nichts Wertvolles und das Malen setzte mich in Bewegung. Es ging und geht mir um Freiheit, immer. Ich will selber frei werden.
Ich bin ein Chribli, ein wütender Maler. Ich will sirachen können. Aber wie bringst du als wütender Chribli etwas auf eine Fläche, das auch andere anschauen können und mögen? Es ist nicht so, dass ich der Welt etwas sagen möchte – was ich will, ist ganz simpel: Energie freisetzen.
Mit der Kartonschachtel hatte ich einen Gegenstand gefunden, mit dem ich sofort zu malen beginnen konnte – es gab da keine Angst vor einer weissen Leinwand. Die Kartonschachtel ist der eigentliche Ursprung meiner Malerei. Zudem waren die Kartonschachteln jederzeit gut verfügbar.
Eine Schachtel hat sechs Seiten. Jede davon ist eine Grundfläche und von daher gleich wichtig, beim Anmalen gibt es auch kein Oben oder Unten. Die Schachtel als Farbträger hat etwas Unverbindliches; das ist ein weiterer Grund, weshalb sie als Grundlage so befreiend ist.
Wenn ich male, kommt auf die Fläche, was mir unmittelbar einfällt, ich hinterfrage dann mein Tun bewusst nicht: in entspannter Stimmung entsteht spannende Malerei.
Andreas Niederhauser, 19.8.2016